Erich Leitenberger: Die Kirchen kommen einander umso näher, je mehr sie sich Jesus Christus nähern
12.02.18 Ökumene Allgemein | Tag des Judentums
Kardinal Schönborn würdigt beim traditionellen Ökumenischen Empfang in Wien positive Signale – Ehrenmitgliedschaft der Stiftung „Pro Oriente“ für Metropolit Arsenios und den koptischen Bischof Anba Gabriel
Ein eindrucksvolles Bild der Ökumene, das er 1991 bei seinem TV-Antrittsinterview als Wiener Weihbischof mit dem legendären „Anchorman“ Robert Hochner erstmals verwendet hatte, stellte Kardinal Christoph Schönborn am Mittwochabend an den Beginn des traditionellen Ökumenischen Empfangs im Erzbischöflichen Palais: Die christliche Ökumene als Rad mit Jesus Christus als Nabe und den Konfessionen als Speichen, die einander umso näher kommen, je mehr sie sich der Nabe nähern. Im Rückblick auf das Jahr 2017 nannte der Wiener Erzbischof zwei positive ökumenische Großereignisse: Das 500-Jahr-Gedenken der Reformation, ein „gesegnetes Jahr, das uns gelehrt hat, den Auftrag Jesu neu zu sehen und ihn gemeinsam zu leben“ und das 50-Jahr-Gedenken des Aufbruchs der Charismatischen Erneuerung in der katholischen Kirche, bei dem Papst Franziskus deutlich gemacht habe, dass man die Mühe der theologischen Ökumene weiterführen müsse, historische Kirchen und Freikirchen aber vor allem vor der Aufgabe stehen, gemeinsam voranzugehen. Positive Signale bedeuteten aber auch die spirituelle und missionarische Erneuerung in den Kirchen, die sehr lebendige „christliche Immigration“ (mehr als die Hälfte der Immigranten in Österreich sind Christen) und das „singuläre ökumenische Projekt“ der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien-Krems, an der die Ausbildung der Religionslehrkräfte für den Pflichtschulbereich von den verschiedenen Kirchen gemeinsam getragen wird, so der Wiener Erzbischof. Wörtlich meinte Kardinal Schönborn: „Es hilft auch meinem Kleinglauben, zu sehen, dass Christus wirklich am Werk ist“.
Ein eindrucksvolles Bild der Ökumene, das er 1991 bei seinem TV-Antrittsinterview als Wiener Weihbischof mit dem legendären „Anchorman“ Robert Hochner erstmals verwendet hatte, stellte Kardinal Christoph Schönborn am Mittwochabend an den Beginn des traditionellen Ökumenischen Empfangs im Erzbischöflichen Palais: Die christliche Ökumene als Rad mit Jesus Christus als Nabe und den Konfessionen als Speichen, die einander umso näher kommen, je mehr sie sich der Nabe nähern. Im Rückblick auf das Jahr 2017 nannte der Wiener Erzbischof zwei positive ökumenische Großereignisse: Das 500-Jahr-Gedenken der Reformation, ein „gesegnetes Jahr, das uns gelehrt hat, den Auftrag Jesu neu zu sehen und ihn gemeinsam zu leben“ und das 50-Jahr-Gedenken des Aufbruchs der Charismatischen Erneuerung in der katholischen Kirche, bei dem Papst Franziskus deutlich gemacht habe, dass man die Mühe der theologischen Ökumene weiterführen müsse, historische Kirchen und Freikirchen aber vor allem vor der Aufgabe stehen, gemeinsam voranzugehen. Positive Signale bedeuteten aber auch die spirituelle und missionarische Erneuerung in den Kirchen, die sehr lebendige „christliche Immigration“ (mehr als die Hälfte der Immigranten in Österreich sind Christen) und das „singuläre ökumenische Projekt“ der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien-Krems, an der die Ausbildung der Religionslehrkräfte für den Pflichtschulbereich von den verschiedenen Kirchen gemeinsam getragen wird, so der Wiener Erzbischof. Wörtlich meinte Kardinal Schönborn: „Es hilft auch meinem Kleinglauben, zu sehen, dass Christus wirklich am Werk ist“.
Im Mittelpunkt des Ökumenischen Empfangs stand die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Stiftung „Pro Oriente“ an den Wiener griechisch-orthodoxen Metropoliten Arsenios (Kardamakis) und an den Wiener koptisch-orthodoxen Bischof Anba Gabriel. Kardinal Schönborn dankte Metropolit Arsenios in herzlichen Worten dafür, dass er das ökumenische Erbe seiner Vorgänger Chrysostomos Tsiter und Michael Staikos entschlossen weiterführe und die Stiftung „Pro Oriente“ treu unterstütze. Im Hinblick auf Anba Gabriel erinnerte der Wiener Erzbischof daran, dass er im Herbst 2016 Gelegenheit hatte, mit dem koptischen Bischof die Kirche in Ägypten kennenzulernen. Unvergesslich sei die Begegnung mit den Familien der 21 koptischen Arbeitsmigranten, die von IS-Terroristen in Libyen ermordet wurden. Die Gebeine der Märtyrer seien inzwischen in Samalut in einer der größten neuerbauten koptischen Kirchen beigesetzt und damit auch durch das offizielle Ägypten geehrt worden. An beide ostkirchlichen Bischöfe gewandt, unterstrich Kardinal Schönborn die Bedeutung der freundschaftlichen Verbindung von Papst Franziskus sowohl mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. als auch mit dem koptischen Papst-Patriarchen Tawadros II.
Der Vorsitzende der Wiener Diözesankommission für ökumenische Fragen (und „Pro Oriente“-Vizepräsident), Prof. Rudolf Prokschi, erinnerte in seiner Würdigung von Metropolit Arsenios daran, dass es dem Vorsitzenden der Orthodoxen Bischofskonferenz darum gehe, einerseits die Einheit der Orthodoxie jenseits aller nationalen Zuordnungen sichtbar zu machen und andererseits den Beitrag der orthodoxen Christen für die österreichische Gesellschaft zu betonen. Metropolit Arsenios sorge aber auch dafür, dass die orthodoxen Christen in Österreich ihre Wurzeln nicht vergessen und damit Brücken in ihre – oder ihrer Vorfahren – einstige Heimatländer bauen.
Die spirituellen Quellen des Metropoliten hätten mit dessen kretischer Heimat zu tun, unterstrich Prof. Prokschi. Am schönsten sei das im Buch des Fernsehjournalisten Christian Rathner „Der Brunnen von Epanosifi – Wege zwischen Ost und West“ nachzulesen. Jedes Jahr kehre der Metropolit für geraume Zeit in das Kloster von Epanosifi zurück und sei wieder „Mönch unter Mönchen“. Dort stehe der Brunnen, aus dem er Wasser schöpfe. Die tiefe Verbindung des Metropoliten mit dem Mönchtum sowohl auf Kreta als auch auf dem Athos inspiriere sichtlich auch sein Bemühen um die Gründung des ersten orthodoxen Klosters in Österreich, das nach manchen Schwierigkeiten im Burgenland entstehe und dessen Gründungsmönche „bereits jetzt ein lebendiges Zeichen orthodoxer monastischer Spiritualität in unserem Land“ seien.
Auch Anba Gabriel sei – wie viele koptische Seelsorger – „zutiefst und zuinnerst“ Mönch, erinnerte Prof. Prokschi in seiner Würdigung des Wiener koptisch-orthodoxen Bischofs. Die koptisch-orthodoxe Kirche sei stolz darauf, dass sie der Christenheit das Geschenk des Mönchtums gemacht habe. Bischof Anba Gabriel bezeichne das monastische Leben als „Lunge des Christentums und füge hinzu, dass Mönche und Nonnen eine dreifache Aufgabe wahrnehmen: Durch ihr beständiges Gebet bewahrten sie Welt und Kirche, sie stellten das Reservoir der kirchlichen Führungskräfte und vor allem seien die Klöster in Ägypten für die Gläubigen Stätten der Zuflucht und Quellen der spirituellen Erneuerung. Auf diesem Hintergrund sei zu sehen, dass Anba Gabriel in Obersiebenbrunn ein koptisches Kloster gegründet habe. Der Bischof sei aber auch Gründer in anderer Hinsicht. Angesichts des Zustroms koptischer Migranten in Wien sei es notwendig geworden, eine Kathedrale zu bauen. Anba Gabriel habe dieses anspruchsvolle Vorhaben übernommen und so sei im 22. Wiener Bezirk die im Jahr 2004 geweihte Kathedrale der Gottesmutter von Zeitun entstanden. An die Kathedrale schließe sich eine stattliche Reihe von neuen koptischen Kirchen an, sei es, dass sie von der katholischen Schwesterkirche zur Verfügung gestellt wurden, sei es, dass sie die Kopten aus eigener Kraft errichtet haben. Von besonderer Bedeutung sei in diesem Zusammenhang die Übergabe der Wiener Kirche Maria vom Siege an die Kopten gewesen.
Beim Ökumenischen Empfang war auch Kanzleramtsminister Gernot Blümel anwesend, zu dessen Ressort auch das staatliche Kultusamt gehört. Kardinal Schönborn würdigte die gute Zusammenarbeit mit dem Kultusamt, das die „lebendige Vielfalt der Ausdrucksformen des Christentums“ fördere.
Doku über die „Einstimmungen in den ‚Tag des Judentums‘“
Die Gründerin der Initiative „Vernetzte Ökumene Wien West“, Elisabeth Lutter, stellte beim Ökumenischen Empfang die Dokumentation über das – im Vorjahr mit dem neuen Ökumene-Preis ausgezeichnete - Modell der „Einstimmungen in den ‚Tag des Judentums‘“ vor, das seit fünf Jahren wirkungsvoll in den westlichen Bezirken Wiens durchgeführt wird. Den „Tag des Judentums“ als Auftakt zur „Weltgebetswoche für die Einheit der Christen“ gibt es seit dem Jahr 2000 jeweils am 17. Jänner. Die Kirchen besinnen sich dabei auf ihre gemeinsamen Wurzeln im Judentum und auf die gemeinsame Schuld der Feindschaft mit den Juden bis hin in die Katastrophe der Shoah. Die „Vernetzte Ökumene Wien West“ habe dazu das Motto formuliert: „Nicht über die Juden, sondern mit ihnen reden“, damit aus Feindschaft, Misstrauen und Leid neues Verständnis füreinander und neues Vertrauen entstehen kann, berichtete Elisabeth Lutter. In diesem Sinn werden seit fünf Jahren die „Einstimmungen in den ‚Tag des Judentums‘“ veranstaltet. Sie finden nicht in einer Kirche und nicht mit einem Gottesdienst statt, um auch jüdischen Menschen die Teilnahme zu ermöglichen, sondern jedes Mal an einem anderen Ort „einstigen jüdischen Lebens und Glaubens“, etwa in Erinnerung an eine 1938 zerstörte Synagoge. Hier werde auch für nachgeborene Generationen das christliche Schuldbekenntnis und das jüdische Totengebet nachvollziehbar, Friedensbitten würden zum persönlichen Bedürfnis, das Lesen gemeinsamer Texte aus dem Ersten Testament mache die gemeinsamen religiösen Wurzeln deutlich. Weil diese „Einstimmung“ immer an einem anderen Gedenkort stattfinde, könnten immer breitere, nicht nur christliche, sondern auch „ferner stehende“ Bevölkerungskreise in diese Gedenk- und Trauerarbeit einbezogen werden, die jeweilige christlich-jüdische Lokalgeschichte des Umfeldes werde lebendig und rege zur persönlichen Auseinandersetzung an. Elisabeth Lutter: „Die Gedenkorte machen die Schuld der Zerstörung und die Verantwortung für die Bewahrung der Erinnerung bewusst und wecken das Bedürfnis nach gemeinsamer Trauer mit den Betroffenen und nach dem gemeinsamen Gebet um Frieden und neues Vertrauen zueinander“. Dabei sei es wichtig, möglichst Zeitzeugen oder ihre Nachfahren einzubeziehen, die authentisch berichten und an ihrem Empfinden Anteil geben können. Das von einem Kantor der Kultusgemeinde vorgetragene jüdische Totengebet erschüttere und mache das christliche Schuldbekenntnis zum persönlichen Anliegen eines jeden, „mehr als eine bloße Formel“. Nur durch diesen persönlichen Austausch von Mensch zu Mensch könne neues Vertrauen entstehen.
Die „Vernetzte Ökumene Wien West“ bemühe sich aber auch in anderer Weise, den Auftrag Jesu „dass alle eins seien“ an zentralen Anlässen des Kirchenjahrs – Passion und Ostern, Pfingsten, Erntedank – umzusetzen, so Elisabeth Lutter. Sie erinnerte daran, dass die Kooperation der Ökumene-Verantwortlichen der Wiener Dekanate 12 bis 19 im Jahr 2002 mit Unterstützung der „Mutter der Ökumene“, Oberin Christine Gleixner, entstanden ist.
Die Migration und der Psalm 87
Vor dem Ökumenischen Empfang nahmen Kardinal Schönborn und die ökumenischen Gäste am Vespergottesdienst der Mönche in der Schottenbasilika teil. Der Schottenabt P. Johannes Jung arbeitete in seiner kurzen Predigt die aktuelle Bedeutung des Psalms 87 heraus. In einer Zeit, in der viel von Migration die Rede ist und sich die Geister daran scheiden, führe der Psalm vor Augen, wie Gott ein Verzeichnis der Völker führt, in dem sich „die Namen vieler finden, auch solcher, die man nicht erwarten würde“ wie etwa die der Ägypter und Babylonier, der größten Feinde des alten Israel. Damit es zu einer solchen „wunderbaren Eingliederung“ in das Volk auf dem heiligen Berg kommen kann, brauche es „neben dem Federstrich Gottes“ zweier Haltungen: „Dass die Völker sich auf den Weg machen, weil ihnen ein Ziel vor Augen steht: die Gründung Gottes auf dem heiligen Berg, die den Bewohnern ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden sichert“, aber auch, dass „all jene, die jetzt schon durch Gottes Wahl dort beheimatet sind, sich diesem Zustrom öffnen und es ertragen, mehr noch feiern, wenn den Ferngeborenen gesagt wird, auch du bist hier gebürtig“.
Freilich hätten Wien, Österreich, Europa noch nicht die Gestalt Zions auf dem heiligen Berg angenommen, “noch sind wir selbst auf dem Weg“, stellte der Abt fest: „Doch dass sich andere diesem Zug anschließen mit der vagen Hoffnung, hier die Stadt Gottes zu finden, sollte uns Freude daran machen, dieser Welt die Gestalt von Gottes Gründung zu geben, besser noch, sie umgestalten zu lassen von ihm“.
Der Vorsitzende der Wiener Diözesankommission für ökumenische Fragen (und „Pro Oriente“-Vizepräsident), Prof. Rudolf Prokschi, erinnerte in seiner Würdigung von Metropolit Arsenios daran, dass es dem Vorsitzenden der Orthodoxen Bischofskonferenz darum gehe, einerseits die Einheit der Orthodoxie jenseits aller nationalen Zuordnungen sichtbar zu machen und andererseits den Beitrag der orthodoxen Christen für die österreichische Gesellschaft zu betonen. Metropolit Arsenios sorge aber auch dafür, dass die orthodoxen Christen in Österreich ihre Wurzeln nicht vergessen und damit Brücken in ihre – oder ihrer Vorfahren – einstige Heimatländer bauen.
Die spirituellen Quellen des Metropoliten hätten mit dessen kretischer Heimat zu tun, unterstrich Prof. Prokschi. Am schönsten sei das im Buch des Fernsehjournalisten Christian Rathner „Der Brunnen von Epanosifi – Wege zwischen Ost und West“ nachzulesen. Jedes Jahr kehre der Metropolit für geraume Zeit in das Kloster von Epanosifi zurück und sei wieder „Mönch unter Mönchen“. Dort stehe der Brunnen, aus dem er Wasser schöpfe. Die tiefe Verbindung des Metropoliten mit dem Mönchtum sowohl auf Kreta als auch auf dem Athos inspiriere sichtlich auch sein Bemühen um die Gründung des ersten orthodoxen Klosters in Österreich, das nach manchen Schwierigkeiten im Burgenland entstehe und dessen Gründungsmönche „bereits jetzt ein lebendiges Zeichen orthodoxer monastischer Spiritualität in unserem Land“ seien.
Auch Anba Gabriel sei – wie viele koptische Seelsorger – „zutiefst und zuinnerst“ Mönch, erinnerte Prof. Prokschi in seiner Würdigung des Wiener koptisch-orthodoxen Bischofs. Die koptisch-orthodoxe Kirche sei stolz darauf, dass sie der Christenheit das Geschenk des Mönchtums gemacht habe. Bischof Anba Gabriel bezeichne das monastische Leben als „Lunge des Christentums und füge hinzu, dass Mönche und Nonnen eine dreifache Aufgabe wahrnehmen: Durch ihr beständiges Gebet bewahrten sie Welt und Kirche, sie stellten das Reservoir der kirchlichen Führungskräfte und vor allem seien die Klöster in Ägypten für die Gläubigen Stätten der Zuflucht und Quellen der spirituellen Erneuerung. Auf diesem Hintergrund sei zu sehen, dass Anba Gabriel in Obersiebenbrunn ein koptisches Kloster gegründet habe. Der Bischof sei aber auch Gründer in anderer Hinsicht. Angesichts des Zustroms koptischer Migranten in Wien sei es notwendig geworden, eine Kathedrale zu bauen. Anba Gabriel habe dieses anspruchsvolle Vorhaben übernommen und so sei im 22. Wiener Bezirk die im Jahr 2004 geweihte Kathedrale der Gottesmutter von Zeitun entstanden. An die Kathedrale schließe sich eine stattliche Reihe von neuen koptischen Kirchen an, sei es, dass sie von der katholischen Schwesterkirche zur Verfügung gestellt wurden, sei es, dass sie die Kopten aus eigener Kraft errichtet haben. Von besonderer Bedeutung sei in diesem Zusammenhang die Übergabe der Wiener Kirche Maria vom Siege an die Kopten gewesen.
Beim Ökumenischen Empfang war auch Kanzleramtsminister Gernot Blümel anwesend, zu dessen Ressort auch das staatliche Kultusamt gehört. Kardinal Schönborn würdigte die gute Zusammenarbeit mit dem Kultusamt, das die „lebendige Vielfalt der Ausdrucksformen des Christentums“ fördere.
Doku über die „Einstimmungen in den ‚Tag des Judentums‘“
Die Gründerin der Initiative „Vernetzte Ökumene Wien West“, Elisabeth Lutter, stellte beim Ökumenischen Empfang die Dokumentation über das – im Vorjahr mit dem neuen Ökumene-Preis ausgezeichnete - Modell der „Einstimmungen in den ‚Tag des Judentums‘“ vor, das seit fünf Jahren wirkungsvoll in den westlichen Bezirken Wiens durchgeführt wird. Den „Tag des Judentums“ als Auftakt zur „Weltgebetswoche für die Einheit der Christen“ gibt es seit dem Jahr 2000 jeweils am 17. Jänner. Die Kirchen besinnen sich dabei auf ihre gemeinsamen Wurzeln im Judentum und auf die gemeinsame Schuld der Feindschaft mit den Juden bis hin in die Katastrophe der Shoah. Die „Vernetzte Ökumene Wien West“ habe dazu das Motto formuliert: „Nicht über die Juden, sondern mit ihnen reden“, damit aus Feindschaft, Misstrauen und Leid neues Verständnis füreinander und neues Vertrauen entstehen kann, berichtete Elisabeth Lutter. In diesem Sinn werden seit fünf Jahren die „Einstimmungen in den ‚Tag des Judentums‘“ veranstaltet. Sie finden nicht in einer Kirche und nicht mit einem Gottesdienst statt, um auch jüdischen Menschen die Teilnahme zu ermöglichen, sondern jedes Mal an einem anderen Ort „einstigen jüdischen Lebens und Glaubens“, etwa in Erinnerung an eine 1938 zerstörte Synagoge. Hier werde auch für nachgeborene Generationen das christliche Schuldbekenntnis und das jüdische Totengebet nachvollziehbar, Friedensbitten würden zum persönlichen Bedürfnis, das Lesen gemeinsamer Texte aus dem Ersten Testament mache die gemeinsamen religiösen Wurzeln deutlich. Weil diese „Einstimmung“ immer an einem anderen Gedenkort stattfinde, könnten immer breitere, nicht nur christliche, sondern auch „ferner stehende“ Bevölkerungskreise in diese Gedenk- und Trauerarbeit einbezogen werden, die jeweilige christlich-jüdische Lokalgeschichte des Umfeldes werde lebendig und rege zur persönlichen Auseinandersetzung an. Elisabeth Lutter: „Die Gedenkorte machen die Schuld der Zerstörung und die Verantwortung für die Bewahrung der Erinnerung bewusst und wecken das Bedürfnis nach gemeinsamer Trauer mit den Betroffenen und nach dem gemeinsamen Gebet um Frieden und neues Vertrauen zueinander“. Dabei sei es wichtig, möglichst Zeitzeugen oder ihre Nachfahren einzubeziehen, die authentisch berichten und an ihrem Empfinden Anteil geben können. Das von einem Kantor der Kultusgemeinde vorgetragene jüdische Totengebet erschüttere und mache das christliche Schuldbekenntnis zum persönlichen Anliegen eines jeden, „mehr als eine bloße Formel“. Nur durch diesen persönlichen Austausch von Mensch zu Mensch könne neues Vertrauen entstehen.
Die „Vernetzte Ökumene Wien West“ bemühe sich aber auch in anderer Weise, den Auftrag Jesu „dass alle eins seien“ an zentralen Anlässen des Kirchenjahrs – Passion und Ostern, Pfingsten, Erntedank – umzusetzen, so Elisabeth Lutter. Sie erinnerte daran, dass die Kooperation der Ökumene-Verantwortlichen der Wiener Dekanate 12 bis 19 im Jahr 2002 mit Unterstützung der „Mutter der Ökumene“, Oberin Christine Gleixner, entstanden ist.
Die Migration und der Psalm 87
Vor dem Ökumenischen Empfang nahmen Kardinal Schönborn und die ökumenischen Gäste am Vespergottesdienst der Mönche in der Schottenbasilika teil. Der Schottenabt P. Johannes Jung arbeitete in seiner kurzen Predigt die aktuelle Bedeutung des Psalms 87 heraus. In einer Zeit, in der viel von Migration die Rede ist und sich die Geister daran scheiden, führe der Psalm vor Augen, wie Gott ein Verzeichnis der Völker führt, in dem sich „die Namen vieler finden, auch solcher, die man nicht erwarten würde“ wie etwa die der Ägypter und Babylonier, der größten Feinde des alten Israel. Damit es zu einer solchen „wunderbaren Eingliederung“ in das Volk auf dem heiligen Berg kommen kann, brauche es „neben dem Federstrich Gottes“ zweier Haltungen: „Dass die Völker sich auf den Weg machen, weil ihnen ein Ziel vor Augen steht: die Gründung Gottes auf dem heiligen Berg, die den Bewohnern ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden sichert“, aber auch, dass „all jene, die jetzt schon durch Gottes Wahl dort beheimatet sind, sich diesem Zustrom öffnen und es ertragen, mehr noch feiern, wenn den Ferngeborenen gesagt wird, auch du bist hier gebürtig“.
Freilich hätten Wien, Österreich, Europa noch nicht die Gestalt Zions auf dem heiligen Berg angenommen, “noch sind wir selbst auf dem Weg“, stellte der Abt fest: „Doch dass sich andere diesem Zug anschließen mit der vagen Hoffnung, hier die Stadt Gottes zu finden, sollte uns Freude daran machen, dieser Welt die Gestalt von Gottes Gründung zu geben, besser noch, sie umgestalten zu lassen von ihm“.