Christlich-jüdischen Dialog intensiv weiterführen

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Seit 60 Jahren bemüht sich der "Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit" um vertiefte Beziehungen zwischen den beiden Religionen. Mit einem Festakt im Wiener Kardinal-König-Haus wurde das Jubiläum am Mittwochabend, 17. November 2016 gefeiert.
Festakt zum 60-jährigen Bestehen des "Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit" im Wiener Kardinal-König-Haus.
Seit 60 Jahren bemüht sich der "Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit" um vertiefte Beziehungen zwischen den beiden Religionen. Mit einem Festakt im Wiener Kardinal-König-Haus wurde das Jubiläum am Mittwochabend, 17. November 2016 gefeiert.

Als Gratulanten stellten sich u.a. die Bischöfe Manfred Scheuer (katholisch) und Michael Bünker (evangelisch) sowie Raimund Fastenbauer, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinden, ein. Staatssekretärin Muna Duzdar überbrachte die Glückwünsche der Bundesregierung. Der Tenor der Veranstaltung: Trotz aller Erfolge in der Vergangenheit gelte es für die Zukunft, im Koordinierungsausschuss die "Hemdsärmel aufzustricken und den Dialog weiterzuführen", wie es Vizepräsident Willy Weisz formulierte.

UNESCO-Resolution zum Tempelberg
Wie wichtig die Arbeit des Koordinierungsausschusses ist, verdeutlichte dessen Präsident Prof. Martin Jäggle am Beispiel der jüngsten UNESCO-Resolution zum Jerusalemer Tempelberg. Die Weltkulturorganisation hatte im Oktober eine Erklärung verabschiedet, die den jüdischen Charakter des Tempelberges komplett negiert. Darin wird der Ort lediglich als muslimische Stätte bezeichnet. Das sei "unerträglich", so Jäggle. Hier habe der Koordinierungsausschuss als erster in Österreich seine Stimme erhoben. Andere Institutionen hätten sich dem Protest dann angeschlossen.
Positiv stimme ihn u.a. die Erklärung einer Gruppe führender orthodoxer Rabbiner vom 3. Dezember 2015. Diese hätten sich für eine enge Partnerschaft mit den Christen ausgesprochen, ein besseres gegenseitiges Verständnis gewünscht und zu einer gemeinsamen Arbeit für eine Verbesserung der Welt aufgerufen.

Glückwünsche kamen u.a. vom Präsidenten des "International Council of Christians and Jews" (ICCJ), Philip Cunningham. Er bezeichnete den Koordinierungsausschuss als "herausragendes Beispiel der Verständigung und Zusammenarbeit von Christen und Juden", vor allem auch gegen Antisemitismus, Rassismus, einen fehlgeleiteten Nationalismus sowie theologische und andere Vorurteile. In der gegenwärtigen Welt gelte es mehr denn je, interreligiöse Solidarität und Freundschaft zu vertiefen und verbreiten, betonte Cunningham.

Die Arbeit des Koordinierungsausschusses sei für die evangelischen Kirchen immer ein wichtiges Anliegen, betonte der lutherische Bischof Michael Bünker. Er erinnerte u.a. an die Erklärung der evangelischen Kirchen A.B. und H.B. in Österreich, in der der Antisemitismus Martin Luthers verworfen und die eigenen Schuldgeschichte am Antisemitismus bekannt wurde. Dies soll und wird auch im Rahmen des Reformationsjubiläums 2017 thematisiert werden, sagte Bünker.

Das Christentum könne vom Judentum u.a. die Bedeutung der Wurzeln und der Erinnerung lernen, betonte Bischof Manfred Scheuer. Diese Erinnerung sei freilich sehr schmerzhaft, so der Bischof, wenn es um christlichen Antisemitismus, Antijudaismus und die Shoa geht. Doch nur das Erinnern eröffne Zukunft, so Scheuer. Als Wunsch und Hoffnung formulierte der Linzer Bischof "Frieden für den Staat Israel".

"Hemdsärmel aufstricken und Dialog weiterführen"
Willy Weisz, Vizepräsident des Koordinierungsausschusses, überbrachte die Glückwünsche von Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, einem starken Verfechter des christlich-jüdischen Dialogs. Anlässlich des Jubiläums gelte es nicht nur zurückzublicken, sondern vor allem die nächsten 60 Jahre anzugehen, fügte Weisz hinzu: "Wir wollen die Hemdsärmel aufstricken und den Dialog weiterführen."

Sehr viel Positives sei durch den Koordinierungsausschuss passiert, sagte der Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinden, Raimund Fastenbauer. Freilich würden die Herausforderungen künftig nicht kleiner. Er warnte vor einem zunehmenden Antisemitismus in ganz Europa. U.a. gebe es auch große Befürchtungen, dass durch die muslimische Zuwanderung Antisemitismus aus den Herkunftsländern der Migranten nach Österreich wie ganz Europa komme. Schon in vielen Ländern Europas sei eine Abwanderung von Juden festzustellen.

Kritik übte Fastenbauer an der katholischen Friedensbewegung "Pax Christi". Die Linie von Pax Christi im Konflikt zwischen Israel und Palästina sei geprägt von Doppelmoral und Einseitigkeiten, so Fastenbauer. Das sei umso bedauernswerter, als "Pax Christi" vor 60 Jahren federführend am entstehen des Koordinierungsausschusses beteiligt gewesen sei.

"Digitale Zivilcourage"
Staatssekretärin Duzdar kam in ihrer Rede auf die Regierungsinitiative gegen Hass im Netz zu sprechen und forderte "digitale Zivilcourage" ein. Das Internet als Ort und Raum der offenen Kommunikation entwickle sich immer mehr zu einem Ort der Hassgeschichten und Parallelwelten, die zu einem massiven Problem für Gesellschaft und Demokratie werden könnten, warnte die Staatssekretärin. Hier müssten auch die Plattformbetreiber strenger in die Pflicht genommen werden. "Mit dem Löschen der Hasspostings löscht man aber nicht automatisch den Hass", gab Duzdar zu bedenken.

Das Strafrecht reiche nicht aus. Hass im Netz könne man nicht allein mit gesetzlichen Änderungen entgegenwirken, vielmehr müsse die Zivilgesellschaft im Internet aktiv werden, so die Staatssekretärin. Deshalb habe man im Rahmen der Kampagne etwa einen Argumentationsleitfaden entwickelt mit dem Ziel, die Lufthoheit im Netz zurückzugewinnen.

Das Jubiläumsfest stand unter dem Motto "Was wünsche, erhoffe, erträume ich?". Schon in der Einladung waren die Gäste ermuntert worden, "über Vergangenes nachzudenken, das Gegenwärtige zu feiern und Ideen und Träume für die Zukunft zu teilen" und dazu stichwortartig Gedanken zu formulieren. Diese wurden im Rahmen des Festaktes präsentiert.

An dem Festakt nahmen u.a. auch die Altbischöfe Maximilian Aichern und Helmut Krätzl, der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Pastor Lothar Pöll, der Wiener Superintendent Hansjörg Lein, der Vorsitzende der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften, Abtpräses Christian Haidinger, der altkatholische Altbischof Bernhard Heitz sowie der anglikanische Bischofsvikar Patrick Curran und Koordinierungsausschuss-Vizepräsident Helmut Nausner teil.

Anstoß durch Kardinal König
Der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit ist seit 1956 - neun Jahre vor der wegweisenden Konzils-Erklärung über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen "Nostra Aetate" - im Aufbau des gegenseitigen Vertrauens zwischen Christen und Juden tätig. Das in Österreich einzigartige Forum aus Christen verschiedener Konfession und Vertretern der jüdischen Gemeinden unterstützt und begleitet die Kirchen u.a. durch Impulse für die Bildungsarbeit und beim Bestreben, festgefahrene Vorurteile und Feindbilder zu überwinden bzw. eine respektvolle Gesprächs- und Streitkultur sicherzustellen.

Im Frühjahr 1956 beschloss das Präsidium der katholischen Friedensbewegung "Pax Christi" auf Anregung von Kardinal Franz König, sich in einem Arbeitskreis dem christlich-jüdischen Verhältnis und der Bekämpfung des Antisemitismus zu widmen. Daraufhin hielt der Judaist Prof. Kurt Schubert im Rahmen dieser Arbeit am 18. Oktober 1956 ein Grundsatzreferat und präsentierte sieben Thesen zur christlich-jüdischen Zusammenarbeit. Das war das Gründungsdatum des Koordinierungsausschusses - zunächst eben als Arbeitskreis von "Pax Christi". Als eigenständiger und ökumenisch getragener Verein konstituierte sich der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit am 12. Februar 1965.

Seit 1990 ist der Koordinierungsausschuss auch Träger des "Christlich-jüdischen Informationszentrums", das 1967 im Auftrag der Sionsschwestern von Sr. Hedwig Wahle gegründet worden ist. Ausschuss und Informationszentrum haben ihren Sitz seit 2009 in der Leopoldstadt, dem historischen Zentrum jüdischen Lebens in Wien. Das Herzstück der Räumlichkeiten ist die umfangreiche Bibliothek. Verfügbar sind mehr als 6.000 Werke zum christlich-jüdischen Dialog, zur Aufarbeitung christlicher Judenfeindschaft sowie über den jüdischen Glauben und die jüdische Kultur. Spezielle Angebote gibt es für Schule und Erwachsenenbildung.

An den handelnden Personen wird das konfessions- und religionsverbindende Profil des Koordinierungsausschusses deutlich: Präsident ist der katholische Theologe Martin Jäggle, Vizepräsidenten sind der frühere methodistische Superintendent Helmut Nausner und Willy Weisz von der Israelitischen Kultusgemeinde. Geschäftsführerin ist Sarah Egger. Sie ist Jüdin und hat u.a. evangelische Theologie studiert.

Quelle: Erzdiözese Wien