Schönborn würdigt "lebendige christliche Immigration"
01.02.18 Ökumene Allgemein
Die zigtausenden Kirchenaustritte, die die katholische Kirche jedes Jahr zu verzeichnen hat, seien "sehr schmerzlich". Umso bewegender sei es aber zu sehen,"dass der Herr uns beschenkt mit einer sehr lebendigen christlichen Immigration". Das hat Kardinal Christoph Schönborn in seiner Ansprache beim traditionellen Ökumenischen Empfang am Mittwochabend im Wiener Erzbischöflichen Palais betont. Der Wiener Erzbischof sprach damit vor allem die vielen Gläubigen der orthodoxen und orientalischen Kirchen an, die in Österreich Fuß gefasst haben. Dazu kämen noch die zahlreichen Freikirchen im Land, die auch einen starken Zuwachs verzeichnen würden. Schönborn sprach von "christlicher Erneuerung in vielfältigen Formen". Dies alles sei ein starkes Zeichen, "dass der Herr wirklich am Werk ist".
Kardinal Schönborn konnte zum Ökumenischen Empfang die Spitzenvertreter aller christlichen Kirchen in Österreich begrüßen. Dem Ökumenischen Rate der Kirchen in Österreich gehören derzeit 16 Kirchen an. Von der orthodoxen Seite war neben Metropolit Arsenios u.a. auch der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) gekommen, die evangelischen Kirchen wurden an erster Stelle vom lutherischen Bischof Michael Bünker, dem reformierten Landessuperintendenten (und Vorsitzenden des Ökumenischen Rates) Thomas Hennefeld sowie vom methodistischen Superintendenten Stefan Schröckenfuchs repräsentiert. Für die orientalisch-orthodoxen Christen war neben Bischof Gabriel u.a. auch der syrisch-orthodoxe Chorepiskopos Emanuel Aydin gekommen.
Von Seiten der Politik nahm erstmals Kanzleramtsminister Gernot Blümel am Empfang im Erzbischöflichen Palais teil. In seine Zuständigkeit fallen mit dem Kultusamt die grundlegenden Beziehungen zwischen Staat und Kirchen. Kardinal Schönborn dankte Minister Blümel für sein Kommen, das eine "starke Geste" gegenüber den christlichen Kirchen im Land sei.
Im Rückblick auf das Jahr 2017 würdigte der Kardinal zum einen das Reformationsjubiläum. Er sei für dieses Jahr dankbar, denn es habe die Möglichkeit für die evangelische und katholische Kirche geschaffen, "den Auftrag des Herrn gemeinsam zu vertiefen und neu zu bedenken und auch gemeinsam zu leben".
Weiters erinnerte der Kardinal an das Pfingstfest 2017 in Rom, wo der Beginn der charismatischen Bewegung vor 50 Jahren innerhalb der Katholischen Kirche ökumenisch gefeiert wurde. Papst Franziskus habe dabei die Christen aller Kirchen aufgerufen, gemeinsam voran zu gehen. Alle Christen seien gemeinsam aufgerufen, das Evangelium zu verkünden und missionarisch zu sein.
Die Ökumene verglich Kardinal Schönborn in seiner Ansprache mit dem Bild eines Rades. Die Nabe sei Christus und die Kirchen würden die Speichen bilden. "Je näher wir der Nabe und damit Christus kommen, desto näher kommen wir auch einander."
Pro-Oriente Auszeichnungen
Im Rahmen des Empfangs wurden der orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) und der koptische Bischof Anba Gabriel zu Ehrenmitgliedern der Stiftung Pro Oriente ernannt. Kardinal Schönborn überreichte in seiner Funktion als Vorsitzender des Kuratoriums Stiftung die Dekrete.
Weiters wurde die neue ökumenische Publikation "Tag des Judentums" präsentiert. Dabei handelt es sich um einen Leitfaden bzw. eine Dokumentation für eine gemeinsame christlich-jüdische Gedenkstunde bzw. Einstimmung auf den "Tag des Judentums", der von den christlichen Kirchen jedes Jahr am 17. Jänner begangen wird. Hinter dem Projekt steht die Initiative "Vernetzte Ökumene Wien West" unter Leitung von Elisabeth Lutter, die die Broschüre beim Empfang auch präsentierte. Im vergangenen Jahr war der Leitfaden mit dem erstmals vergebenen Ökumene-Preis der Österreichischen Bischofskonferenz, des Evangelischen Oberkirchenrats A. und H.B. und der Evangelisch-methodistischen Kirche ausgezeichnet worden.
Migration als Chance sehen
Vor dem Ökumenischen Empfang nahmen Kardinal Schönborn und die ökumenischen Gäste am Vespergottesdienst der Mönche in der Wiener Schottenbasilika teil. Abt P. Johannes Jung arbeitete in seiner Predigt die aktuelle Bedeutung des Psalms 87 heraus. In einer Zeit, in der viel von Migration die Rede ist und sich die Geister daran scheiden, führe der Psalm vor Augen, wie Gott ein Verzeichnis der Völker führt, in dem sich "die Namen vieler finden, auch solcher, die man nicht erwarten würde" wie etwa die der Ägypter und Babylonier, der größten Feinde des alten Israel.
Damit es zu einer solchen "wunderbaren Eingliederung" in das Volk auf dem heiligen Berg kommen kann, brauche es "neben dem Federstrich Gottes" zweier Haltungen: "Dass die Völker sich auf den Weg machen, weil ihnen ein Ziel vor Augen steht: die Gründung Gottes auf dem heiligen Berg, die den Bewohnern ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden sichert", aber auch, dass "all jene, die jetzt schon durch Gottes Wahl dort beheimatet sind, sich diesem Zustrom öffnen und es ertragen, mehr noch feiern, wenn den Ferngeborenen gesagt wird, auch du bist hier gebürtig".
Freilich hätten Wien, Österreich, Europa noch nicht die Gestalt Zions auf dem heiligen Berg angenommen, "noch sind wir selbst auf dem Weg", stellte der Abt fest: "Doch dass sich andere diesem Zug anschließen mit der vagen Hoffnung, hier die Stadt Gottes zu finden, sollte uns Freude daran machen, dieser Welt die Gestalt von Gottes Gründung zu geben, besser noch, sie umgestalten zu lassen von ihm".
Reformationsjubiläum: Vertrauen gewachsen
Die Spitzenvertreter der evangelischen Kirchen in Österreich nahmen am Rand des Empfangs im "Kathpress"-Interview die positive Bewertung Kardinal Schönborns zum Reformationsjubiläum auf. Vor allem innerhalb der katholisch-evangelischen Beziehungen sei im Jubiläumsjahr sehr viel an Vertrauen und Verständnis gewachsen, so etwa der methodistische Superintendente Stefan Schröckenfuchs. Er ortete u.a. mehr Bewusstsein bei der katholischen Kirche, wie wichtig die Reformation auch für diese sei. Aber auch innerhalb der drei Kirchen reformatorischer Tradition in Österreich - Lutheraner, Reformierte und Methodisten - sei das Vertrauen und die Zusammenarbeit noch gewachsen, so Schröckenfuchs. Ein Befund, der vom lutherischen Bischof Michael Bünker und dem refomierten Landessuperintendent en Thomas Hennefeld geteilt wurde.
Als gemeinsame Aufgabe aller Kirchen im Land betonte Schröckenfuchs die Anwaltschaft für die Ärmsten in der Gesellschaft, seien es sozial Schwache oder auch Flüchtlinge. Hier gelte es genau hinzusehen und die Stimme für jene zu erheben, die selbst keine Stimme haben.
Quelle: kathpress