PAPST: „EINHEIT DER KIRCHE BEDEUTET NICHT UNIFORMITÄT“

Audienz für die Teilnehmenden der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen – „Unterschiedliche theologische, liturgische, spirituelle und kirchenrechtliche Traditionen sind ein Reichtum und nicht eine Bedrohung für die Einheit der Kirche“
Vatikanstadt, 10.11.16 (poi) Die anzustrebende Einheit der Kirchen ist nicht Uniformität: Dies betonte Papst Franziskus am Donnerstag im Vatikan bei einer Audienz für die Teilnehmenden der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen. Wörtlich stellte der Papst fest: „Die unterschiedliche theologischen, liturgischen, spirituellen und kirchenrechtlichen Traditionen, die sich in der christlichen Welt entwickelt haben, sind ein Reichtum und nicht eine Bedrohung für die Einheit der Kirche“. Der Versuch, die Verschiedenheit zu unterdrücken, bedeute ein Vergehen gegen den Heiligen Geist, der die Gemeinschaft der Glaubenden mit einer Vielfalt von Gaben bereichere. Im Verlauf der Geschichte habe es solche Versuche gegeben, deren Konsequenzen bisweilen heute noch Leiden verursachen. Wenn sich die Christen vom Heiligen Geist leiten lassen, werde die Verschiedenheit nie zum Konflikt, weil der Geist dazu anleite, „die Verschiedenheit in der Gemeinschaft der Kirche zu leben“. Es sei eine ökumenische Aufgabe, die legitime Vielfalt zu respektieren und die „unvereinbaren Verschiedenheiten“ in der von Gott verlangten Einheit zu überwinden. Das Vorhandensein solcher Verschiedenheiten dürfe die Christen nicht lähmen, sondern sie vielmehr antreiben, gemeinsam den erfolgreichen Weg zur Überwindung dieser Hindernisse zu suchen. Als „Bischof von Rom und Nachfolger des Heiligen Petrus“ sei die Einheit der Christen eine seiner „hauptsächlichen Sorgen“, sagte Papst Franziskus.
Die Einheit der Christen bedeute keinen „Ökumenismus im Rückwärtsgang“, dessentwegen jemand seine eigene Glaubensgeschichte verleugnen müsste, betonte der Papst. Die Einheit ertrage aber auch den „Proselytismus“ (die Abwerbung von Gläubigen) nicht, der ein „Gift für den ökumenischen Weg“ sei. Bevor man das sieht, was trennt, müsse man den Reichtum dessen wahrnehmen, was die Christen vereint, wie die Heilige Schrift und die großen Glaubensbekenntnisse der ersten ökumenischen Konzile. Papst Franziskus: „Wenn wir so handeln, können wir Christen einander als Brüder und Schwestern anerkennen, die an den einen Herrn und Erlöser Jesus Christus glauben, und die sich gemeinsam bemühen, einen Weg zu finden, um dem Wort Gottes zu gehorchen, das uns geeint sehen will“. Der Ökumenismus sei wahrhaftig, wenn er die Aufmerksamkeit von den eigenen Argumenten und Formulierungen auf das Wort Gottes lenke, das gehört, angenommen und in der Welt bezeugt werden soll. Daher seien die verschiedenen christlichen Gemeinschaften berufen, einander nicht Konkurrenz zu machen, sondern zusammenzuarbeiten. Sein jüngster Besuch beim Jubiläum des Lutherischen Weltbundes in Lund haben ihn an die Aktualität dieses ökumenischen Prinzips erinnert, das vom Weltkirchenrat bereits 1952 formuliert worden sei.

Die Einheit der Christen sei eine „essenzielle Erfordernis“ des christlichen Glaubens, unterstrich Papst Franziskus: „Wir wollen die Einheit leben, weil wir Christus nachfolgen, uns am Geheimnis seines Einsseins mit dem Vater erfreuen wollen“. Im Sinn des im Johannes-Evangelium überlieferten hohepriesterlichen Gebets Jesu gehe es um die Einheit in der von Jesus Christus vermittelten Liebe des Vaters, diese Liebe müsse das Denken und die Lehren prägen.

Bei der Einheit der Christen gehe es nicht um ein „von den kirchlichen Diplomatien konstruiertes Produkt“, sondern um ein Geschenk, „das von oben kommt“. Wörtlich meinte Papst Franziskus in diesem Zusammenhang: „Wir Menschen können die Einheit nicht allein machen, wir können auch nicht die Formen und die Zeiten entscheiden“. Die Aufgabe der Christen bestehe vielmehr darin, das Geschenk der Einheit anzunehmen und es „allen sichtbar zu machen“. So gesehen, sei die Einheit vor allem ein Weg, mit Verlangsamung und Beschleunigung, mit Ruhepausen. Dieser Weg verlange Geduld, Zähigkeit, Mühe und Engagement, er löse die Konflikte nicht und lösche die Gegensätze nicht aus. Und doch werde jeder, der sich auf diesen Weg mache, durch die ständige Erfahrung einer „freudig erahnten, wenn auch noch nicht voll erreichten“ Gemeinschaft getröstet. Papst Franziskus: „Wenn wir uns zusammen auf den Weg machen, wenn wir einander als Geschwister begegnen, gemeinsam beten, bei der Verkündigung des Evangeliums und bei dem Dienst an den Letzten zusammenarbeiten, sind wir schon geeint“. Alle theologischen Unterschiede, die die Christen noch trennen, könnten nur auf diesem Weg überwunden werden, „ohne dass wir wissen wie und wann“. Es sei vielmehr Sache des Heiligen Geistes, dies zum Wohl der Kirche anzuregen.

Der Präfekt des Päpstlichen Rates für die Einheit der Kirchen, Kardinal Kurt Koch, hatte eingangs dem Papst über die Vollversammlung berichtet, die unter dem Thema „Einheit der Christen: Welches Modell der vollen Gemeinschaft?“ stand. Unter den Teilnehmern war auch der Salzburger Ostkirchenfachmann (und Vorsitzende der örtlichen „Pro Oriente“-Sektion) Prof. Dietmar Winkler, der Konsultor des Päpstlichen Rates ist. (forts mgl)
Quelle: Pro Oriente