Prokschi: Keine separaten Kirchen allianzen in der Ökumene
07.11.19 Dialog
Vor separaten Allianzen einzelner Kirchen in der Ökumene, womöglich sogar gegen andere, hat der designierte Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Prof. Rudolf Prokschi, gewarnt. Prokschi verglich im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" die aktuelle ökumenische Situation mit einer Fußwallfahrt von Wien nach Mariazell: "Die einen sind bildlich noch in Heiligenkreuz, die andern hören schon die Kirchenglocken von Mariazell. Da muss man schon sagen: Warten wir einmal zusammen, um dann gemeinsam das Ziel zu erreichen."
Zur Ökumene gebe es keine Alternative. Prokschi: "Die Glaubwürdigkeit der Sendung Jesu hängt davon ab, ob wir ein zerstrittener und gespaltener Haufen sind oder ob wir vor der Welt das Zeugnis der Einheit abgeben. Es ist der Auftrag des Herrn und nicht das Privatvergnügen von einigen, die meinen, es wäre schön, wenn wir eins wären." Er sei - so der emeritierte Wiener Theologieprofessor und Ostkirchenexperte - der festen Überzeugung, "dass wir auf diesem Weg weitergehen müssen".
Das Ziel der Ökumene sei die sichtbare Einheit, "die sich ausdrückt in der Communio, in der Kommuniongemeinschaft". Freilich bedeute das keine Gleichmacherei: "Jede Tradition soll ihr Erbe getreu weiterführen. Beim Dialog auf Augenhöhe kann es durchaus sein, dass wir das eine oder andere tiefer erkennen und aus dieser Erkenntnis noch den einen oder anderen Reformschritt machen, der uns vielleicht mit einer älteren Tradition, als wir noch zusammen waren, näher zusammenführt. Für mich ist Ökumene auf keinen Fall das Streben nach Gleichmacherei, sondern das Zulassen der Vielfalt, der Fülle."
Ein Einsiedler auf dem Berg Athos habe einmal zu ihm gesagt: "Geht ihr euren katholischen Weg, so wie ihn euch eure Kirche lehrt. Geht diesen Weg und verwirklicht ihn in eurem Leben. Und wenn wir unseren orthodoxen Weg gehen, so wie unsere Kirche ihn lehrt, dann bin ich zuversichtlich, dass wir uns bei Christus treffen werden." In diesem Sinne verstehe er die Vielfalt als Bereicherung und Geschenk, so Prokschi.
Gemeinsame Sprache und Ungeduld
Was das Amt und die Eucharistie anbelangt, so habe die katholische Kirche mit den Orthodoxen viele Gemeinsamkeiten. "Wir müssen aber achtgeben, dass wir keinen Separatfrieden gegen die anderen machen", so Prokschi: "Wir müssen den Blick offenhalten und deshalb finde ich die Arbeit im ÖRKÖ für sehr wichtig, weil dort alle christlichen Kirchen vertreten sind und versucht wird, gemeinsam einen Weg zu gehen." Nachsatz: "Das ist sicher ein schwieriger Weg."
Mentalitätsmäßig stünden der katholischen Kirche jene Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, näher als die Ostkirchen. Aber allein vom theologischen Erbe her gebe es mit den orthodoxen und mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen "viel mehr Gemeinsamkeiten beziehungsweise ein gemeinsames Erbe, das uns beide trägt".
Prokschi räumte ein, dass bei so manchen hinsichtlich der Kircheneinheit bereits große Ungeduld herrsche. Man habe das Gefühl, "dass der letzte Durchbruch, die Einheit, die sich in der Kommuniongemeinschaft ausdrückt, zu lang auf sich warten lässt. Und manche sind auch enttäuscht." Er versuche immer wieder zu argumentieren: "Wir müssen alle im Blick haben, und dürfen nicht einen Separatweg mit einzelnen christlichen Kirchen gehen."
Der ÖRKÖ wolle einerseits eine gemeinsame Stimme der christlichen Kirchen im Hinblick auf die gesellschaftspolitischen Herausforderungen sein, andererseits aber auch die Ökumene fördern. Dazu greife er auch Themen auf, "die das praktisch-pastorale Zusammenleben der Christen betreffen, wie zum Beispiel die Situation von Ehepaaren, die aus verschiedenen christlichen Konfessionen stammen". Auf diesem Gebiet sei schon einiges gewachsen.
Er gehöre schon länger der Vollversammlung des ÖRKÖ und war auch schon eine Periode im Vorstand, so Prokschi: "Dort spürt man deutlich, wie wir - im gemeinsamen Ringen um pastorale Fragen, in den ökumenischen Gottesdiensten und in anderen gemeinsamen Veranstaltungen - einander nähergekommen sind. Ich finde es schön, dass die katholische Kirche in Österreich Vollmitglied im ÖRKÖ ist, aktiv mitarbeitet und viele Initiativen von der katholischen Kirche mitgetragen werden."
Prokschi plädierte dafür, in der ökumenischen Arbeit nicht zu sehr darauf aus zu sein, "was können wir bei den anderen kritisieren, was ihnen nach unserer Auffassung fehlt. Vielmehr sollten wir in der eigenen Geschichte nachspüren, ob wir nicht manche Einseitigkeiten auch in der eigenen Tradition haben." Durch die gemeinsame ökumenische Forschung erkenne man, "dass unsere theologischen Positionen gar nicht so weit auseinanderliegen. Wir haben im Großen und Ganzen auch eine Sprache gefunden, um die diversen Differenzpunkte in einer guten Art und Weise auszudrücken." Doch es müsse gelingen, "noch stärker in die jeweiligen Materien einzudringen und eine neue Sprache zu finden, wo beide Seiten zustimmen können. Das ist immer ein Vorgang, der sehr schwierig ist."
Er erinnere sich an die Gespräche der offiziellen Katholisch-Orthodoxen Dialogkommission, in der auch sein Ostkirchenlehrer Prof. Ernst Christoph Suttner mitgewirkt hatte: "Er hat erzählt, dass es auf katholischer Seite oft das Gefühl gegeben hat: Der gemeinsame Abschlusstext kommt uns sehr fremd vor - das muss orthodoxe Tradition sein. Und bei den Orthodoxen war genau das umgekehrte Gefühl: Das ist nicht orthodox, das muss katholisch sein."
Er sei selbst Mitglied eines internationalen orthodox-katholischen Arbeitskreises, so Prokschi, "und ich mache die gleiche Erfahrung: Das Ringen um Formulierungen, damit sich jede Seite verstanden fühlt, ist gar nicht einfach, weil es natürlich immer um einen Kompromiss geht."
Gespräche mit Evangelikalen
Angesprochen auf die Beziehungen zu den evangelikalen Freikirchen meinte Prokschi, dass man in Zukunft auch mit diesen Gruppierungen mehr den Dialog suchen müsse. Er habe den Eindruck, "es ist bisher eher ein Nebeneinander gewesen". Er könne sich gut vorstellen, "dass wir in Zukunft stärker aufeinander zugehen, um überhaupt die unterschiedlichen Ansätze und Anliegen näher kennenzulernen. Es gibt oft auf beiden Seiten Irritationen." Hier brauche es noch mehr Information und Gespräch. "Manches ist uns mentalitätsmäßig fremd, da es oft aus dem angloamerikanischen Raum kommt. Was wir nicht kennen, macht uns skeptisch", so Prokschi.
Mit dem Ostkirchenexperten Rudolf Prokschi stellt zum ersten Mal seit 2005 wieder die römisch-katholische Kirche den Vorsitz im Ökumenischen Rat; von 2000 bis 2005 war die legendäre "Mutter der Ökumene", Oberin Christine Gleixner (1926-2015), ÖRKÖ-Vorsitzende. Prokschi lehrte von 2004 bis 2018 als Universitätsprofessor für Patrologie und Ostkirchenkunde und war Vorstand des Instituts für Theologie und Geschichte des christlichen Ostens an der Universität Wien. Er ist u.a. Domdekan des Wiener Domkapitels, Vizepräsident der Stiftung "Pro Oriente" und Mitglied des Orthodox-Katholischen Arbeitskreises St. Irenäus. Parallel zur wissenschaftlichen Tätigkeit war und ist Prokschi als Seelsorger und in der geistlichen Begleitung im Einsatz. Er tritt sein Amt als ÖRKÖ-Vorsitzender am 1. Jänner 2020 an. Dem ÖRKÖ gehören derzeit 16 Kirchen an. (Infos: www.oekumene.at)
Quelle: kathpress
Das Ziel der Ökumene sei die sichtbare Einheit, "die sich ausdrückt in der Communio, in der Kommuniongemeinschaft". Freilich bedeute das keine Gleichmacherei: "Jede Tradition soll ihr Erbe getreu weiterführen. Beim Dialog auf Augenhöhe kann es durchaus sein, dass wir das eine oder andere tiefer erkennen und aus dieser Erkenntnis noch den einen oder anderen Reformschritt machen, der uns vielleicht mit einer älteren Tradition, als wir noch zusammen waren, näher zusammenführt. Für mich ist Ökumene auf keinen Fall das Streben nach Gleichmacherei, sondern das Zulassen der Vielfalt, der Fülle."
Ein Einsiedler auf dem Berg Athos habe einmal zu ihm gesagt: "Geht ihr euren katholischen Weg, so wie ihn euch eure Kirche lehrt. Geht diesen Weg und verwirklicht ihn in eurem Leben. Und wenn wir unseren orthodoxen Weg gehen, so wie unsere Kirche ihn lehrt, dann bin ich zuversichtlich, dass wir uns bei Christus treffen werden." In diesem Sinne verstehe er die Vielfalt als Bereicherung und Geschenk, so Prokschi.
Gemeinsame Sprache und Ungeduld
Was das Amt und die Eucharistie anbelangt, so habe die katholische Kirche mit den Orthodoxen viele Gemeinsamkeiten. "Wir müssen aber achtgeben, dass wir keinen Separatfrieden gegen die anderen machen", so Prokschi: "Wir müssen den Blick offenhalten und deshalb finde ich die Arbeit im ÖRKÖ für sehr wichtig, weil dort alle christlichen Kirchen vertreten sind und versucht wird, gemeinsam einen Weg zu gehen." Nachsatz: "Das ist sicher ein schwieriger Weg."
Mentalitätsmäßig stünden der katholischen Kirche jene Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, näher als die Ostkirchen. Aber allein vom theologischen Erbe her gebe es mit den orthodoxen und mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen "viel mehr Gemeinsamkeiten beziehungsweise ein gemeinsames Erbe, das uns beide trägt".
Prokschi räumte ein, dass bei so manchen hinsichtlich der Kircheneinheit bereits große Ungeduld herrsche. Man habe das Gefühl, "dass der letzte Durchbruch, die Einheit, die sich in der Kommuniongemeinschaft ausdrückt, zu lang auf sich warten lässt. Und manche sind auch enttäuscht." Er versuche immer wieder zu argumentieren: "Wir müssen alle im Blick haben, und dürfen nicht einen Separatweg mit einzelnen christlichen Kirchen gehen."
Der ÖRKÖ wolle einerseits eine gemeinsame Stimme der christlichen Kirchen im Hinblick auf die gesellschaftspolitischen Herausforderungen sein, andererseits aber auch die Ökumene fördern. Dazu greife er auch Themen auf, "die das praktisch-pastorale Zusammenleben der Christen betreffen, wie zum Beispiel die Situation von Ehepaaren, die aus verschiedenen christlichen Konfessionen stammen". Auf diesem Gebiet sei schon einiges gewachsen.
Er gehöre schon länger der Vollversammlung des ÖRKÖ und war auch schon eine Periode im Vorstand, so Prokschi: "Dort spürt man deutlich, wie wir - im gemeinsamen Ringen um pastorale Fragen, in den ökumenischen Gottesdiensten und in anderen gemeinsamen Veranstaltungen - einander nähergekommen sind. Ich finde es schön, dass die katholische Kirche in Österreich Vollmitglied im ÖRKÖ ist, aktiv mitarbeitet und viele Initiativen von der katholischen Kirche mitgetragen werden."
Prokschi plädierte dafür, in der ökumenischen Arbeit nicht zu sehr darauf aus zu sein, "was können wir bei den anderen kritisieren, was ihnen nach unserer Auffassung fehlt. Vielmehr sollten wir in der eigenen Geschichte nachspüren, ob wir nicht manche Einseitigkeiten auch in der eigenen Tradition haben." Durch die gemeinsame ökumenische Forschung erkenne man, "dass unsere theologischen Positionen gar nicht so weit auseinanderliegen. Wir haben im Großen und Ganzen auch eine Sprache gefunden, um die diversen Differenzpunkte in einer guten Art und Weise auszudrücken." Doch es müsse gelingen, "noch stärker in die jeweiligen Materien einzudringen und eine neue Sprache zu finden, wo beide Seiten zustimmen können. Das ist immer ein Vorgang, der sehr schwierig ist."
Er erinnere sich an die Gespräche der offiziellen Katholisch-Orthodoxen Dialogkommission, in der auch sein Ostkirchenlehrer Prof. Ernst Christoph Suttner mitgewirkt hatte: "Er hat erzählt, dass es auf katholischer Seite oft das Gefühl gegeben hat: Der gemeinsame Abschlusstext kommt uns sehr fremd vor - das muss orthodoxe Tradition sein. Und bei den Orthodoxen war genau das umgekehrte Gefühl: Das ist nicht orthodox, das muss katholisch sein."
Er sei selbst Mitglied eines internationalen orthodox-katholischen Arbeitskreises, so Prokschi, "und ich mache die gleiche Erfahrung: Das Ringen um Formulierungen, damit sich jede Seite verstanden fühlt, ist gar nicht einfach, weil es natürlich immer um einen Kompromiss geht."
Gespräche mit Evangelikalen
Angesprochen auf die Beziehungen zu den evangelikalen Freikirchen meinte Prokschi, dass man in Zukunft auch mit diesen Gruppierungen mehr den Dialog suchen müsse. Er habe den Eindruck, "es ist bisher eher ein Nebeneinander gewesen". Er könne sich gut vorstellen, "dass wir in Zukunft stärker aufeinander zugehen, um überhaupt die unterschiedlichen Ansätze und Anliegen näher kennenzulernen. Es gibt oft auf beiden Seiten Irritationen." Hier brauche es noch mehr Information und Gespräch. "Manches ist uns mentalitätsmäßig fremd, da es oft aus dem angloamerikanischen Raum kommt. Was wir nicht kennen, macht uns skeptisch", so Prokschi.
Mit dem Ostkirchenexperten Rudolf Prokschi stellt zum ersten Mal seit 2005 wieder die römisch-katholische Kirche den Vorsitz im Ökumenischen Rat; von 2000 bis 2005 war die legendäre "Mutter der Ökumene", Oberin Christine Gleixner (1926-2015), ÖRKÖ-Vorsitzende. Prokschi lehrte von 2004 bis 2018 als Universitätsprofessor für Patrologie und Ostkirchenkunde und war Vorstand des Instituts für Theologie und Geschichte des christlichen Ostens an der Universität Wien. Er ist u.a. Domdekan des Wiener Domkapitels, Vizepräsident der Stiftung "Pro Oriente" und Mitglied des Orthodox-Katholischen Arbeitskreises St. Irenäus. Parallel zur wissenschaftlichen Tätigkeit war und ist Prokschi als Seelsorger und in der geistlichen Begleitung im Einsatz. Er tritt sein Amt als ÖRKÖ-Vorsitzender am 1. Jänner 2020 an. Dem ÖRKÖ gehören derzeit 16 Kirchen an. (Infos: www.oekumene.at)
Quelle: kathpress